Aus dem Buch "Naam oder das Wort", geschrieben von Sant Kirpal Singh
In fast allen religiösen Überlieferungen finden wir – in der einen oder anderen Form – ein Wort für "Initiation" oder die Einführung in die Grundlagen der inneren Wissenschaft.
Die Muslime verwenden normalerweise den Begriff "Beat" für Initiation, andere wieder nennen es "Deeksha." Bei den Christen heißt die Aufnahme in die Kirchengemeinschaft "Taufe". Die Hindus nennen es "Duojanma" oder die zweite Geburt.
Eine derartige Initiation oder Einführung in die Lehren einer neuen Wissenschaft ist nichts Formales, oder etwas, das nur durch mündliche Ausführungen erfolgt. Sie hat eine viel tiefere Bedeutung als allgemein angenommen wird. Es heißt, jemanden in eben dieses Leben und den Geist der Lehren, die ihm in der Theorie vorgestellt wurden, einzuführen. Es bedeutet, dem Initiierten einen Lebensimpuls zu übertragen und ihm eine Erfahrung aus erster Hand von der Quelle des Lebens zu geben. Sie hat also zwei Aspekte: den theoretischen und den praktischen.
Zum Zeitpunkt der Initiation erklärt der Meister jenen, die dafür vorgesehen sind, die Theorie der spirituellen Wissenschaft, des Para Vidya (des Wissens vom Jenseits). Es ist eine anerkannte Tatsache, dass die Theorie der Praxis vorausgeht, denn die Dinge richtig zu verstehen, ist außerordentlich wichtig, bevor man die Theorie in die Praxis umsetzen kann. Ohne richtig über die Dinge Bescheid zu wissen und sie zu verstehen, kann man sie nicht erfolgreich anwenden, und ein Versuch mit nachprüfbaren Ergebnissen ist nicht möglich.
Da die Spiritualität die Wissenschaft des Geistes oder der Seele ist – das Lebensprinzip, der Atem des Lebens – muss jemand, der ein Experte in der Spiritualität ist, jedem Initiierten einen Teil seines eigenen Lebensimpulses (Jia Dan genannt) übertragen, bevor der Initiierte verstehen kann, was "das Leben des Geistes" ist, zum Unterschied vom "Leben des Fleisches", das er bisher geführt hat. Denn die Überseele begreifen und verstehen kann allein der Geist oder die Seele, die befreit ist von den Fesseln des Fleisches, des Gemüts, der Pranas oder Lebensenergien, und aller nach außen gerichteten Sinneskräfte, die zusammen den äußeren Menschen ausmachen, der in der Welt und den weltlichen Aktivitäten auf der Sinnesebene verstrickt ist.
"Indem er seinen eigenen Lebensimpuls überträgt, flößt er dem Menschen wahre Hingabe ein und vereint ihn mit dem Herrn."
GURU ARJAN