Auszug aus einem Vortrag von Sant Kirpal Singh, 19. Januar 1964, Washington D.C.
Vortrag in Englisch als mp3 (21Mb, Dauer 1:02:03)
Das ist ein Gebet an den Meister: "Gib uns eine Flasche des Weins der Gottberauschung."
"Gott ist ein Meer aller Berauschung. Und jene, die zum Sprachrohr Gottes wurden, sind ebenfalls brandende Wogen der Berauschung."
So lautet das Gebet. Um diese Berauschung zu erhalten kommen wir zu den Meistern, zu denen, die ein Sprachrohr Gottes sind, deren Seele in vollen Zügen die Gottberauschung trinkt, die diese Gottberauschung ausstrahlen und von ihr überfließen.
Wir beten zu Meister: "O Meister, gib uns eine Flasche dieser Berauschung. Würdest Du, wie der Mundschenk, der jedem etwas ausschenkt, so gütig sein, auch uns eine Flasche dieser Berauschung zu geben, die uns alles andere vergessen lässt, wenn wir sie trinken, und magst Du auch noch die Berauschung derer hinzufügen, die überfließen vor Berauschung." Und er betet: "O Meister, in allen Tempeln, überall habe ich danach gesucht, aber ich habe diese Berauschung nirgends gefunden. Als ich aber zu Dir kam, gabst Du mir einen Tropfen davon, und mit einem Tropfen, den ich von Dir erhielt, wurde ich berauscht."
Es gibt in Indien zwei sehr bekannte Erzählungen. Die eine handelt von Farhad, der Prinzessin Shirin liebte. Er wollte sie heiraten. Er war verrückt vor Liebe zu ihr und erzählte überall herum: "Ich werde sie heiraten." Dem König war das sehr zuwider, er überlegte, was man dagegen tun könnte, und beriet sich mit seinem Minister. Der Minister riet ihm, Farhad zu befehlen, einen Wasserkanal vom Himalaya bis zum Palast zu bauen. "Lass ihn den Kanal bauen und er wird durch diese Anstrengung sterben."So begann Farhad den Kanal auszuheben, von den Bergen des Himalayas bis zu dem Palast, in dem sie lebte. Liebe kennt keine Last, ihr ist nichts zu viel. Er tat es einfach und war erfolgreich. Nun sah der König keinen anderen Ausweg mehr. Wieder beratschlagte er sich mit seinem Minister. Der Minister schlug vor: "Lass ein Gerücht verbreiten, dass die Prinzessin gestorben sei." Als Farhad dieses Gerücht zu Ohren kam, nahm er eine Axt, spaltete sich den Kopf und starb. Was aber geschah dann? Die Prinzessin hörte davon, sie stürzte sich vom Dach und starb. Das ist äußerste Verrücktheit, pures von Sinnen sein. Aber selbst diese Verrücktheit sollte noch in den Schatten gestellt werden. "Gib uns eine solche Berauschung, dass diese Geschichte von Farhad daneben verblasst."
Es gibt eine andere Geschichte von Majnu, der eine Prinzessin namens Laila liebte. Er liebte sie sosehr – jeden Tag verteilte sie Almosen an die Menschen, die zu ihr kamen. Eines Tages schloss auch er sich den Bettlern an, nur um sich ihr nähern zu können und ein Almosen von ihr zu erhalten. Jedem gab sie etwas, aber als Majnu mit seiner Schale in der Hand kam, schlug sie von unten gegen die Schale. Sie schlug sie ihm aus der Hand, sodass sie zu Boden fiel und zerbrach. Majnu war glücklich, er tanzte vor Freude. Die Leute fragten ihn: "Was hat sie dir denn gegeben – nichts – sie hat nur deine Schale zerbrochen."– "Ach, ihr wisst nicht, was sie mir gegeben hat", sagte er. "Sie gab mir zu verstehen: 'Solange du dieses Gefäß des Körpers nicht zerbrichst und dein Körperbewusstsein vergisst, bist du nicht bereit um zu lieben.'"
Wenn Majnu die Stadt betrat, wo Laila lebte, war es so, dass er die Erde küsste, auf der sie ging, und die Wände und die Gänge der Häuser der Stadt, weil sie dort lebte. Einmal sah man ihn die Pfoten eines Hundes küssen. Die Leute fragten ihn: "Was machst du da?" – "Ach", sagte er, "einmal sah ich diesen Hund die Straße hinunterlaufen, in der meine Laila wohnt." Das ist die extreme Verrücktheit der Liebe. Er sagt: "Wir sollten eine solche Berauschung erhalten, die selbst all dieses Verrücktsein vor Liebe in den Schatten stellt, wenn man diese Berauschung damit vergleicht."
Um eine solche Berauschung zu erhalten kommen wir zum Meister, nicht um Riten und Rituale auszuführen. Das ist eine Religion, die über all dem steht.
Shamaz Tabriz sagt: "Würde ich meinen Körper verlassen und würde man ihn in Stücke schneiden und ein Feld damit düngen, würde selbst der, der aus dem Korn, das auf diesem Land gewachsen ist, Brot bäckt, und der, der dieses Brot serviert, berauscht sein." – Er spricht nicht einmal von denen, die dieses Brot, das aus diesem Korn gebacken wurde, essen. Genau danach sind wir aus. Das ist bereits in uns, aber wenn wir mit jemandem in Verbindung kommen, der das Sprachrohr Gottes ist, erhalten wir einen Anstoß und es flammt auf.
Leben kommt also von Leben. Keine Bücher, nichts, was ihr im Äußeren tut, kann euch das geben. Die Meister sagen, selbst wenn ihr Gebete aufsagt, Riten und Rituale ausführt, Almosen gebt, eure Sinne kontrolliert und ein Leben der Enthaltsamkeit führt, könnt ihr Gott nicht so einfach und schnell finden, wie wenn ihr zu Füßen eines Meisters sitzt. Leben kommt von Leben, das ist der Weg. Das erhaltet ihr geschenkt, wenn ihr Empfänglichkeit entwickelt. Durch Hingabe und völlige Selbstübergabe könnt ihr diese Empfänglichkeit entwickeln. Ihr braucht nichts zu tun, es wird zu einem Bestandteil eures Lebens.
Unser Meister erzählte oft die Geschichte von Bildhauern oder Porträtmalern aus dem Ausland, die nach China kamen um ihre Kunst zu zeigen. Der König stimmte zu, ihnen eine Halle zur Verfügung zu stellen, und erlaubte ihnen, sie nach Belieben mit Malereien auszuschmücken. Einige chinesische Maler wollten auch die Gelegenheit erhalten ihre Geschicklichkeit zu zeigen. Der König sagte: "Gut, teilt die Halle in der Mitte mit einem Vorhang ab." Es war eine riesige Halle und eine Wand wurde den ausländischen Künstlern zur Verfügung gestellt und eine den einheimischen. Sie begannen die Wand zu bearbeiten. Nach einiger Zeit war das Gemälde fertig gestellt. Die ausländischen Maler gingen zum König und sagten: "Unser Gemälde ist fertig. Würdet ihr die Güte haben zu kommen um es zu sehen." Der König ging hin und sah, dass das Gemälde außergewöhnlich schön war. Er war begeistert, wie wunderschön es war. Als der König wieder herauskam, sagten auch die chinesischen Maler zu ihm: "Würdet Ihr die Güte haben, auch unser Gemälde zu besichtigen."– "Gut." Als der Vorhang weggezogen wurde, war zum Erstaunen des Königs auf der anderen Wand genau dasselbe Bild zu sehen. Es war genauso auf der anderen Wand zu sehen, nur noch klarer als das Original. Im Original, das mit der Hand gemalt war, waren hier und dort noch kleine Unvollkommenheiten zu sehen, aber in der Widerspiegelung waren diese Unvollkommenheiten nicht mehr zu sehen.
Der König war erstaunt und fragte: "Was habt ihr gemacht?" Wenn zwei im Wettstreit liegen, wird jeder sehr darauf achten, dass der andere nicht sieht, was er macht. "Was habt ihr gemacht?"– "Herr, wir haben gar nichts gemacht", antworteten sie. "Wir haben keine anstrengenden Arbeiten ausgeführt, wir haben einfach nur jeden Tag die Wand poliert, so sehr, dass sie jetzt wie ein Spiegel ist. Das ist alles, was wir getan haben."
Die Liebe ist es, die diese Wiederspiegelung hervorbringt. Sie ist das Polieren, das den Meister in euch widerspiegelt, das ist: "Nicht mehr ich bin es, sondern Christus in mir." Das ist Hingabe, das ist es, was uns fehlt. Wir mögen vielleicht Liebe haben, aber ich sage euch ehrlich: "Liebe kennt keine Lasten, Liebe verschönt alles." Und: "Liebt und alles andere wird euch dazugegeben." Aber Hingabe ist noch größer und vollkommene Selbstübergabe ist noch größer. Das ist wirklich Liebe, wo Hingabe und völlige Selbstübergabe sind. Wo es keine Hingabe und Selbstübergabe gibt, gibt es keine Liebe. Durch Hingabe und völlige Selbstübergabe verliert ihr euer Ego. Was Er ist, wird in euch widergespiegelt, ihr werdet Er – Er selbst – ganz ohne Anstrengung. Das ist das Höchste.
Hafiz sagte dasselbe wie der heilige Paulus: "Es ist seltsam, aber ich habe meinen Körper völlig vergessen. Ich habe völlig vergessen, ob ich es bin oder mein Meister." So drückt er es aus. "Man nennt mich Hafiz, aber ich bin Er und Er ist ich." Das nennt man einen Gurmukh in der Terminologie der Meister.
Ein Gurmukh ist jemand, der zum Sprachrohr des Gurus wurde. Das ist ein Geschenk Gottes. Es wird zum Schicksal derer, die Hingabe und völlige Selbstübergabe haben. Das ist das Höchste, das wir lernen müssen.
Auch in der Liebe überschreiten wir manchmal die Grenzen. Ich erinnere mich, einmal schrieb ich in einen Brief an meinen Meister: "Ich bitte Dich, gib mir Liebe, eine Liebe, die keine Gegenleistung verlangt, eine selbstlose Liebe, die die Grenzen des Respekts nicht überschreitet. "Wenn wir lieben, geschieht es manchmal, dass wir die Grenzen des Respekts überschreiten. Und was tat Er? Er las den Brief und drückte ihn an sein Herz: "Ich wünsche mir Menschen, die eine Liebe mit Respekt haben, eine Liebe ohne die Grenzen des Respekts dabei zu überschreiten." Genau das müssen wir lernen. Man kann es nicht durch intellektuelles Schlussfolgern erreichen, es kommt darauf an, es zu leben.
Wir müssen lernen zu lieben, mit einer solchen Art von Liebe, die selbstlos ist, die sich erhebt zu Hingabe und völliger Selbstübergabe. Wenn ihr auf diese Weise liebt, werdet ihr ein Gurmukh. Das nennt man "ein Gurmukh werden". Ihr habt dann nichts mehr zu fürchten, denn der Meister muss alle Lasten übernehmen. Ein Kind, das eine Mutter hat, braucht vor nichts Angst zu haben, es braucht sich keine Sorgen zu machen um seine Kleidung, sein Essen oder ob es versorgt wird. Wir müssen danach leben. Wenn ihr es so macht, werdet ihr sehen, dass ihr wunderbar fortschreiten werdet.
Wie der heilige Paulus sagt: "Ihr werdet es fühlen – nicht fühlen, sondern erfahren." Er macht euch zu einer Flöte, durch die Er euch Leben einhaucht, das ihr dann anderen weitergebt. Emerson sagte: "Die Gedanken, die ohne Denken hochsteigen, sind immer vollkommen. "Die Meister sprechen nie von der Ebene des Denkens: "Jetzt muss ich das sagen, dann jenes ..." – Die Gedanken kommen von selbst.
Ein Meister ist also Gott im Menschen – erkennen wir das? Er behauptet das nicht von sich selber, aber Er wirkt wie Christus und auch alle anderen Meister sagten: "Ich und mein Vater sind eins."– "Es ist der Vater, der durch mich wirkt." Er ist genauso bewusst. Manchmal müssen die Meister klarstellen, wer sie sind. Als einmal ein Schüler zu Christus sagte: "Du hast immer vom Vater gesprochen, es würde uns genügen, wenn Du uns den Vater zeigst", wurde Christus ungehalten und sagte: "So lange bin ich schon unter euch und ihr wisst nicht, dass es der Vater ist, der durch mich wirkt!" Dann ging er so weit zu sagen: "Wer immer mich gesehen hat, der hat den Vater gesehen." Die Meister sind bewusst, obwohl sie auf der Ebene des menschlichen Körpers wirken.
Seid sicher, Meister kommen von Zeit zu Zeit, die Welt ist nie ohne sie. Es muss nicht sein, dass sie dieselbe Linie fortsetzen. Nein, sie können hier oder dort oder irgendwo sonst wirken. Diese Kraft wirkt immer in der ganzen Welt. Und wo immer diese Kraft wirkt, werdet ihr sehen, dass sie euch eine Erfahrung gibt, damit ihr euren inneren Weg beginnen könnt. Das ist das einzige Kriterium. Zu gegebener Zeit werdet ihr beginnen, Ihn in euch zu sehen. Das Einzige, das notwendig ist, ist Gehorsam.
Unser Meister sagte oft: "Ihr mögt euer ganzes Leben damit verbringen, einen Gottmenschen zu suchen – die Zeit des Suchens wird als Hingabe angerechnet." Wenn ihr zum Richtigen kommt, werden durch Gottes Gnade all eure Anstrengungen von Erfolg gekrönt sein. Dann braucht ihr nichts mehr zu fürchten. Ihr braucht nur Ihm hingegeben zu sein. Das ist Gottes Gnade, die überall in diesem materiellen Zeitalter wirkt.
(Im ganzen Raum ist es ruhig.)
Die ganze Atmosphäre wird friedlich und ruhig.
(Eine Schülerin singt ein Gedicht, das Meister für Seinen Meister schrieb.)
Wir sind hier um jetzt dieses "von Sinnen sein" zu erlangen. Ich denke wir sprechen über Verrücktsein.
Weil wir von Sinnen sind vor Liebe, werden wir Dich sehen,
Der Eine, den ich liebe, wird kommen.
Einmal war es so, dass ich nach Amritsar fuhr. Meister wurde dort erwartet. Wir alle saßen beisammen und warteten auf Seine Ankunft. Da kam die Nachricht, dass der Meister nicht kommen wird. Alle waren ganz niedergeschlagen. Manche gingen, ich blieb. Das war auch verrückt, würde ich sagen. Ich schrieb dieses Gedicht: "Er wird kommen, ich werde Ihn mit eigenen Augen sehen." Das schrieb ich und lief herum ganz von Sinnen. Nach etwa einer Stunde kam Meister. So groß ist die starke Anziehungskraft der Liebe. Das ist das Gedicht, das ich damals schrieb:
Weil wir von Sinnen sind vor Liebe, werden wir Dich sehen.
Er muss kommen.
Durch diese Verrücktheit der Liebe werden wir Dich sehen.
Der Eine, den ich liebe, wird kommen.
Er muss kommen.
Wir werden meinen Geliebten sehen.
Weil wir von Sinnen sind vor Liebe, werden wir Dich sehen.
Der Eine, den ich liebe, wird kommen.
Durch die Verrücktheit der Liebe werden wir Dich sehen.
O Meister Sawan, wir müssen Dich sehen.
O Vollkommener Einer, wir werden Dich sehen.
Weil wir von Sinnen sind vor Liebe, werden wir Dich sehen.
Der Eine, den ich liebe, wird kommen.
Und wirklich geschah es, dass er dann kam. Liebe ist also eine sehr große Kraft.
So wie ein Spiegel euer Gesicht nicht widerspiegelt, so lange er nicht auf der Rückseite belegt ist, so wird durch diesen Anstrich der Liebe dahinter, Meister im Innern gespiegelt – Gott in euch.
Durch die Verrücktheit der Liebe werden wir Dich sehen.
O Meister Sawan, wir müssen Dich sehen.
O vollkommener Einer, wir werden Dich sehen.
Wenn Wolken aufziehen, fällt der Regen. Wenn ihr einen solchen Schmerz fühlt, dass nichts zwischen euch und dem Geliebten, dem Meister, steht, ist das der Vorbote für die Ankunft Gottes.
Einmal während des Satsangs kam Rai Saligram in diesen Zustand, dass er völlig von Sinnen war. Der ganze Sangat begann dieselbe Verrücktheit zu fühlen.
Einmal feierten wir den Todestag von Hazur und es geschah, dass der ganze Sangat zu weinen begann.
Liebe ist also alles. Liebe bedeutet Hingabe, und vollkommene Selbstübergabe ist das höchste Ideal. Liebe jedoch beginnt mit: "Wenn ihr mich liebt, dann haltet meine Gebote", so wie Christus es ausdrückt. Das kostet euch nichts. Ihr werdet nicht der Verlierer sein, das garantiere ich euch. In kurzer Zeit werdet ihr das erlangen, was ihr euer ganzes Leben lang nicht erlangen konntet, denn ihr werdet all das widerspiegeln; so wie die Maler, die das erreichen wollten.
Gut, Gott segne euch.